Züchtertreffen und Gestütspräsentationen in Marokko
Marokkos Züchter rein ägyptischer Araber, namentlich der Präsident der Pyramid Society Marokko, Youcef Laghzal, haben ein neues Veranstaltungsformat ins Leben gerufen. Sie luden am 20. April 2024 zu einem Züchtertreffen ein, das im ersten Teil aus einem als Forum betitelten Züchtertreffen im beeindruckenden Mazagan Beach and Golf Resort in El Jadida – in der Nähe von Casablanca – bestand und von anschließenden Einladungen auf vier Gestüte begleitet wurde. Das Forum bot nationalen und internationalen Teilnehmern die Möglichkeit zum Austausch und Kontakteknüpfen und gab Gelegenheit, über vier Experten-Vorträge zu diskutieren, die am Nachmittag und Abend unter intensiver medialer Begleitung gehalten wurden.
Den Auftakt machte die bekannte Züchterin, Autorin und Straight Egyptian-Ikone Judith Forbis, die Einblicke in ihre nunmehr 9 Jahrzehnte umfassende Erfahrung gab. Viele der Züchter nutzten die Gelegenheit, mit ihr in Kontakt zu treten und sich Rat zu den kniffligen Fragen einer erfolgreichen Araberzucht zu holen. Manchen schien auch ein gemeinsames Foto sehr wichtig. In ihrem Vortrag “Die Reise – Mein Leben mit arabischen Pferden – Den Traum leben” betonte Judith Forbis die Bedeutung der Mutterlinie in Straight Egyptian-Pedigrees und sprach auch beispielsweise über Inzucht, Linienzucht und die Schwierigkeiten, einen passenden Hengst zu finden. Bei den späteren Gestütsbesuchen wurde viel in Pedigrees geschaut und analysiert – während das entsprechende Pferd vorgestellt wurde.
Die auf Pferde spezialisierte Genetikerin Dr. Saria Almarzook hielt einen – leider viel zu kurzen – Vortrag über Pferdegenetik, in dem sie interessante Informationen anschaulich vermittelte, wie DNA, Gene und weitere Bestandteile weitergegeben werden und warum von der Mutterseite etwas mehr mitgegeben wird, und wie wichtig es ist, Blutlinien zu erhalten – vor allem bei Hengsten, bei denen die Auswahl an Blutlinien generell dramatisch zurückgegangen ist.
Edouard Al-Dahdah, “Zucht und Exterieur von der Vergangenheit bis zur Gegenwart”, konzentrierte sich in seinem Vortrag auf das Wenige, was von der ursprünglichen historischen Sicht der Beduinen und orientalischen Züchter auf ihre Pferde erhalten geblieben ist. Es gibt eine ganze Reihe von schriftlichen Quellen, in denen Nicht-Beduinen die arabischen Pferde der Vergangenheit so beschreiben, wie sie sie gesehen haben. Aufgrund der Beduinentradition, nur mündliche Informationen weiterzugeben, sind demgegenüber heute nur noch wenig überlieferte Originalkommentare der ursprünglichen Züchter bekannt.
Keri Wright schloss die Podiumsdiskussion mit einer Erläuterung der Änderungen in Bezug auf die Pyramid Society USA und die Pyramid Foundation, die kürzlich zur Pyramid Foundation fusioniert wurden. Kurz gesagt: Es ist von Vorteil, nur eine Organisation zu haben und sich auf die Bereitstellung von Informationen und Unterstützung für diejenigen zu konzentrieren, die den rein ägyptischen Araber lieben. Es war eine emotionale Rede, die alle SE-Liebhaber aufforderte, mit viel Elan eng zusammenzuarbeiten.
Das Forum bot reichlich Gelegenheit, die drängendsten Themen unserer Zeit zu diskutieren. Zum Beispiel den Verlust der Diversität in den Blutlinien und den starken Wunsch, neue Veranstaltungen zu schaffen – vornehmlich neben den Schauen, so dass sich SE-Liebhaber treffen und ihre Pferde präsentieren können. Dies nur zur reinen Freude, die Pferde zu sehen und zu zeigen, und um einen Überblick zu ermöglichen, wie sich die verschiedenen Zuchtprogramme entwickeln, was sowohl den Züchtern zu wertvollen Vergleichen verhilft als auch neue Interessierte gewinnen kann.
Viele Züchter, vor allem viele enthusiastische marokkanische SE-Züchter, äußerten den Wunsch, enger zusammenzuarbeiten und das SE-Pferd gemeinsam zu fördern. Angesichts der heutigen globalen Situation der SE-Pferdezucht mit den kleiner werdenden oder sich global verschiebenden „Märkten“ besteht eine große Nachfrage nach anderen Aktivitäten als nur den Shows. Es war spürbar, dass es wünschenswerter erscheint, ein fruchtbares Miteinander zu finden und zu teilen, als gegeneinander anzutreten. Vor allem der SE-Araber sollte sich nicht verändern, um sich nach und nach – womöglich sogar schnell – zum modernen Show-Arabertyp zu mutieren und sich darin zu verlieren.
Das Forum endete mit einem Empfang auf den exquisiten Rasenflächen des Mazagan Resorts mit Strand und Sonnenuntergang als schönem Hintergrund, vor dem einige Hengste sowohl geritten als auch zur Hand vorgestellt wurden, darunter den typvollen Esfahan Malak (Classic Mansour x El Thay Bint Mansoura) aus deutscher Zucht.
Im Anschluss an das Forum luden vier Gestüte im Raum Casablanca, El Jadida und Marrakesch die Teilnehmer des Forums ein, ihre Zuchtprogramme zu besichtigen. Aus deutscher Sicht war es besonders interessant und erfreulich, etliche aus Deutschland stammende Pferde live oder in den Abstammungen wiederzufinden und zu sehen, was sie Gutes bewirkt haben.
Schon am Tag vor der Konferenz bereitete Mohammed El Aaz den nicht-marokkanischen Gästen einen herzlichen ersten Empfang und eine Einführung in die marokkanische Gastfreundschaft auf seinem Gestüt El Aaz in der Nähe von El Jadida. Er präsentierte 14 Pferde, darunter den Fliegenschimmel Shahada Al Muntassir (2015, Ajmal Sahaab x Mona El Naarah) und die Stute Has Cinderella (2010, Frasera Mashar x Classic Mabrouka) mit gleich vier Töchtern und einer Enkelin – ein schöner Anblick. In El Aaz werden Pferde für das Reiten ausgebildet und es scheint, dass der Züchter selbst einen Ausritt auf seinen Pferden und dem Farmgelände sehr genießt.
An Tag 2 brachten Youcef Laghzal und seine Frau Lise, die die Veranstaltung mit Hilfe ihrer Freunde so aufwändig organisiert haben, die Gäste zu ihrem Shahada-Gestüt und Gästehaus Koheilan Lodge, das etwas weiter außerhalb von El Jadida liegt. Das Gestüt Shahada ist recht groß; es verfügt über einen Hengststall mit 6 Hengsten und präsentierte dem neugierigen Publikum mehr als 20 Pferde. Die Pferde sind von exquisiter Qualität und offensichtlich mögen die Besitzer große dunkle runde Augen. Mir sind auch sehr schöne Bewegungen aufgefallen. Der Stutenstamm ist von Ajmal Sahaab (2008, Ajmal Al Kout x Ajmal Sahaabah) geprägt, den wir im Hengststall antreffen konnten. Bei der Hengstpräsentation fiel ein vielversprechender Junghengst auf (Shahada Sundaar (2021, Exotic Sadiq x Rajmala PC). Sein nicht zu übersehender Vater ist Exotic Sadiq (2011, Shagran Al Nasser x Simeon Sarice), ein Pferd, das man allein aufgrund seiner Ausdrucksstärke nicht so schnell vergisst. Er wird viel benutzt – mit sehr guten Ergebnissen. Es war auch eine Freude, die älteren Hengste GR Monet (2001, Classic Shadwan x Mareekah) und Authentic Khazim (2000, Maysoun x Kaliya v. Al Kidir) in guter Kondition zu sehen. Sie haben interessante deutsche Wurzeln und haben sich in der SE-Zucht in Marokko gut bewährt. Immer wieder ein Highlight bei Gestütsbesuchen: Die Gäste durften den Stutenhof besuchen und mit den ruhigen, sehr freundlichen Stuten auf Tuchfühlung gehen. Herzerwärmende Momente. Der Abend endete mit einem sehr schönen landestypischen Abendessen und weiterer Zeit für Gespräche.
Tag 3 führte in Richtung Marrakesch. Wir besuchten das Gestüt von Yousef Al Fawaress. Wieder wurden die Gäste in einem festlichen Zelt empfangen, was der Einladung eine wunderbare Atmosphäre verlieh – traditionell und luxuriös zugleich.
Bei allen Gestütsbesuchen wurden die Gäste mit unglaublich üppigen marokkanischen Gerichten, Musik, Henna-Bemalung, traditionellem Tee, Milch, Datteln, Süßigkeiten und viel Herzlichkeit verwöhnt.
Al Fawaress präsentierte den Schimmelhengst Saddam Al Fawaress (2018 v. Ajmal Sahaab) und 5 Stuten, in deren Abstammung der Einfluss der Gestüt Imperial und Frasera zufinden war sowie der bekannte deutsche Hengst Maysoun. Alle Pferde zeigten mit viel Schwung großen Trab und energischen Galopp.
Nach unserer Ankunft in Marrakesch war es selbstredend Zeit für ein komprimiertes Sightseeing: Die üppigen Farben, Geräusche und Düfte und das allgemeine Treiben der Medina (Altstadt) von Marrakesch hinterließen tiefen Eindruck – für manche gar Reizüberflutung. Ein Muss sind der berühmte Garten Jardin Majorelle, der Marktplatz Djemma El Fnaa, der Souk, eine Koranschule mit wunderschöner marokkanischer Architektur … um nur einige zu nennen.
Am letzten Abend der Gestütsbesichtigungen öffnete das Gestüt Menara, das sich im Besitz von Herrn Benlafkih Karim befindet, die Tore zu seiner großen, beeindruckenden Anlage. Hier werden nicht nur SE Araber sondern auch moderne Showlinien gezüchtet. Ein professioneller Trainer präsentierte die Pferde mit sanfter, aber entschlossener Hand und ließ sie glänzen (Übrigens: es war eine Freude, auf allen Gestüten viel liebevollen Umgang und fast kein Make-up zu sehen). Besonders angetan war das Publikum von einem Jährlingshengstfohlen, Menara Wahid (2023, Jamil BM x Menara Nejma). Auch sein Vater Jamil BM zeigte ein großes Auftreten. Weitere vielversprechende Youngster waren das SE-Jährlingshengstfohlen Menara Yazid (Exotic Sadiq x Malaka de Menara) und die SE-Stute Malika BM (Abbas El Dine x Mireya).
Nach der Präsentation gab es einen gemeinsamen Rundgang durch den Hauptstall, der mit wunderschönen marokkanischen Laternen geschmückt war. Die Pferde reagierten sehr freundlich auf den Pulk der Besucher. Übertroffen wurden sie jedoch von der Freundlichkeit zweier Dromedar-Teenager, die bereitwillig mit den Gästen kuschelten, die sich trauten, ihnen nahe zu kommen. Hier und da gab es sogar sanfte „Küsschen“. Ein bezauberndes Erlebnis.
Zusammenfassung der Veranstaltung:
In Marokko (und natürlich nicht nur dort) gibt es offenbar viel frische Energie, die genutzt werden könnte, um weiterhin solche Veranstaltungen zu initiieren und die Gemeinschaft der Araberzüchter und -freunde, speziell auch im Bereich der SE, zu stärken. Gestütsbesuche/Tage der offenen Tür sind sicherlich ein wunderbares Instrument, um das Gefühl zu schaffen, Teil einer großen, dem Arabischen Pferd und den SE verschriebenen Familie zu sein.
Ein herzliches “Shukran” an alle unsere Gastgeber!